Da wir des fruehen nachmittags schon in Debark, dem Ausgangspunkt fuer unser Trekking, angekommen waren, konnten wir am selben Tag die Vorbereitungen fuer unseren 5taegigen Trip in die Simien-Mountains beginnen und sogar abschliessen (fuer Atehiopien grenzt das fast an ein Wunder).
Die Offiziellen im National-Park-Office waren sehr kompetent und wir konnten auch ein Paerchen fuer unsere „Expedition“ gewinnen, um die Kosten in Grenzen zu halten. Dies waren eine Deutsche mit Namen Nina, die bevor sie eine dreimonatige Stelle als Hautaerztin in Addis Ababa annehmen wird, mal im Land herumreist bzw. Ronald, ein Hollaender, der in Aethiopien und Nigeria aufgewachsen ist und derzeit fuer NGOs Lagerplaetze in Dubai verwaltet und aufbaut. Also eine durchaus interessante und gutdurchmischte Gruppe. Diese Gruppe wuchs noch um die Begleitpersonen und Lastentiere an. Die da waeren: Mitiku, unser Guide; Fanta, unser mit Kalaschnikow bewaffneter Scout; eine Koechin fuers leibliche Wohl; drei Mulis fuer die Verpflegung und das Gepaeck; zwei Muli-Treiber fuer die stoerischen Tiere. Wenn die gesamte Belegschaft dann den Berg raufzieht, schaut das fast so aus, wie wenn der beruehmte englische Entdecker Burton im 19. Jahrhundert zu seiner Expedition zum Nilursprung aufgebrochen waere.
Da es in den Bergen nicht wirklich grosse Versorgungsposten gibt, ausser Wasserquellen fuer unser Frischwasser, mussten wir uns mit Hilfe unserer angemieteten Koechin am lokalen Markt und den Geschaeften nach Verpflegung umsehen. Dies natuerlich zu ueberhoehten Ferenji-Preisen, aber so ist das nun mal, wenn man hell wie ein Weissbrot ist.
Der Aufbruch am naechsten Tag mit ein wenig Verspaetung und dem letzten Einkauf von Brot, verlief nach anfaenglichen Verstaendigungsproblemen mit unserem Guide Mitiku recht reibungslos. Jetzt heisst es mal marschieren und auch konnten die, durch ganz Aethiopien mitgeschleppten, Bergschuhe endlich eingesetzt werden. Die erste Etappe fuehrte uns nach einer 5stuendigen Wanderung zu unserem ersten Nachtquartier in der Naehe des hoechsten Hotels Afrikas (Simien-Lodge) auf etwa 3.200m ueber Meer. Das Wandern ist recht angenehm, da nur leichtes Gepaeck am Ruecken und man schnell in einem angenehmen Gehrythmus verfaellt, der einem viel Zeit laesst das Auge ueber die grandiose Landschaft schweifen zu lassen. Das Gebiet, welches wir bewandern, ist so zwischen 3.000 und 4.000m hoch, wobei die abgeflachten Berge staendig durch tiefeingeschnittene Taeler zertrennt werden. Dies macht ein stetiges bergauf und -ab von Noeten, welche ueber verschlungene Trampelpfade abseits der befahrbaren Hauptstrasse bewaeltigt wurde.
Die Berghaenge sind hier nur sehr karg bewachsen, vereinzelt stehen Wacholderbaueme, Straeucher mit kleinen gelblichen Fruechten, die als Seifenersatz verwendet werden, die endemische Abessinische Buschrose und dornenbewehrte Gewaechse, die den Abfrass der Ziegen- und Schafherden widerstehen. Entlang der kleinen Baeche und, in von niedrigen Steinmaueren abgegrenzten Arealen, wachsen von menschlicher Hand angepflanzte Eukalyptus-Haine. Vor 10 Jahren sollen die Berghaenge noch sehr stark mit einheimischen Gehoelzen bewachsen gewesen sein, sind aber grossflaechig der Brennholznutzung zum Opfer gefallen und wurden nicht wieder aufgeforstet. Diese Abholzung der Waldbestaende scheint hier in Aethiopien sowieso ein grosses Problem zu sein, welches dann natuerlich zu starker Erosion des Bodens und Verlust von Ackerland fuehrt. Die Aufforstung mit Eukalyptus bringt zwar eine schnellwachsende Pflanze, die als Feuerholz genutzt werden kann, diese zieht aber auch sehr viel Wasser aus den Boden, was zu weiterer Austrockung fuehrt. Auch sieht man unterwegs in den Bergen staendig tiefe Erosionsrinnen, die riesige Flaechen des fruchtbaren Landes vernichten. So wie erzaehlt wird, werden nun auch viele Mittel der Entwicklungshilfe in solche Projekte gegeben, um der Erosion einhaltzugebieten und den Wasserrueckhalt zu forcieren.
Da die Wanderung des ersten Tags relativ kurz war, begeben wir uns nach Aufstellung des Zeltes und der Einnahme von Tee zu den Aufenthaltsorten der Gelada-Pavian-Sippen. Von unserem Lagerplatz aus sieht man sie schon in grossen Gruppen am Berghang herumziehen und man erkennt in der Ferne die maennlichen Leittiere an ihrer langen wollenen Maehnen. Bis auf die Distanz einer ausgestreckten Hand koennen wir uns den Geladas naehern. Seltsamerweise aber nicht unsere einheimischen Fuehrer, vor denen rennen die Paviane sofort davon. Wahrscheinlich weil die Paviane frueher gejagt wurden und sowieso fuer alles verantwortlich gemacht wurden, was passierte. So sollen die Geladas Menschenbabys geraubt haben, Erwachsene aus Haeusern enfuehrt und von Klippen gestossen haben sowie Frauen vergewaltigt haben (nur ein kleiner Auszug ihrer Missetaten). Gar nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass diese posierlichen Tiere gerade mal einen Meter gross werden. Wir, also mitten in der Affenbande sitzend, koennen den friedfertigen Tieren aber unbeschadet beim Graswurzeln ausgraben und beim schmatzenden Verzehren der selbigen zuschauen. Gegraben wird mit der blossen Affenhand und die Wurzeln werden entweder mit den Grasbuescheln ausgerissen oder es werden die noch im Erdboden verbleibenden Wurzeln mit dem Gebiss herausgezogen und feinsaeuberlich in der anderen Hand gehortet, um dann bueschelweise verspeist zu werden. Die ganze Affengruppe zieht auch staendig durch ein groesseres Gebiet mit den Affenbabys am Ruecken festgeklammert und den Halbstarken, die auf jeden Baum und Felsvorsprung raufkraxeln und tollkuehn mit Salti wieder runterspringen.
Ab und zu trifft uns ein schneller Blick eines Aeffchens, ob noch alles in Ordnung ist und ein Leitpavian streckt uns sein Hinterteil mit vier (!) Arschbacken entgegen. Meiner Meinung nach deswegen doppelt soviel wie bei den Menschlein, da die Geladas eine vorwiegend sitzende Taetigkeit beim Wurzelauszupfen ausfuehren und so ein gutes Sitzfleisch benoetigen. Sollte ich mir auch fuer die langen Busfahrten zulegen. Oder habe ich diesen vierteiligen Hintern schon? Werde wohl mal nachsehen muessen.
Die Abendessen bestanden dann meist aus einer staerkenden und vor allem waermenden Suppe (auf dem hoechsten Camp bei 3.600m ist das Thermometer schon unter 0 Grad gefallen), viel Nudeln mit Tomatensugo, Schokokeksen und heissem Tee. Meist eine Wohltat nach den spaeter laenger werdenden Tagesetappen. Die naechste Beschaeftigung nach dem Essen war es bei der vergehenden Helligkeit noch schnell Wasser bei den Camps befindlichen Quellen zu holen. Am Anfang filterten wir das Wasser noch durch unseren Keramikfilter, doch dies wurde nach eingaengiger Pruefung der Quellumgebungen schliesslich abgeschafft.
Der zweite Tag begann knapp vor Sonnenaufgang mit anschliessenden Fruehstueck und dem Abwarten der ersten Sonnenstrahlen zum Schlafsack- und Zelttrocknen. Dann packen, verladen des Gepaecks auf unsere Mulis durch die Mulitreiber und Aufbruch zur naechsten Wanderroute mit Mitiku unserem Guide und Fanta unserem Scout.
Diese zweite Etappe war die anstrengenste. So ist auch Nina, die Aerztin, am Anfang dieser Etappe nach zwei steilen Anstiegen am Ende ihrer Kraefte und es wird fuer sie, damit alle das Trekking fortsetzen und beenden koennen, ein Pferd mit Pferdefuehrer angemietet. So wuchs unsere Begleitmannschaft auf 6 Menschen und 4 Tiere an. Nicht schlecht fuer vier Leute, die mal wandern gehen wollen.
Auf den Trampelpfaden treffen wir staendig mit Handelswaren bestueckte Menschen und Tiere, die ihre auf dem Hochland der Tafelberge angebauten Waren in Debark veraeussern wollen und uns immer sehr herzlich begruessen. Haben wahrscheinlich auch Respekt vor Fanta, der die ersten Tage, die Kalaschnikow ueber die Schultern gelegt, hinter uns wachehielt und alle Unbill von uns fernhielt. Geschossen hat er nie, wozu auch, keine Gefahr in den Bergen. Zutrauen koennte man es ihm aber schon, soll im Buergerkrieg gegen das Mengistu-Regime gekaempft haben und in diesem Krieg war man sicher nicht zimperlich mit dem Gebrauch der Waffe. Was Fanta aber Beine machte und ihn in einem irrem Gehtempo an die Spitze unsere Gruppe setzte, war das „local beer“. Ein aus Getreide gebrauter schmutzig-milchiger Saft, der bei Fanta, der kein Fanta trinkt, wie Kerosin bei einem Duesenflieger wirkte. Er zischte ab und nur Joerg konnte mit seinen grossen Schritten gerade noch mithalten. Auch war er, so wie alle anderen Begleiter sehr schlecht ausgestattet. Kein Schlafsack, kein Zelt, keine gute Kleidung und vor allem kein eigenes Essen. Gegessen wurde das, was bei uns uebergeblieben ist oder zuviel eingekauft wurde. Habe Fanta zusehen muessen, wie er unsere Reisreste gierig im Dunkeln runterschlang. Ist sehr schlecht von der Parkverwaltung, diese Leute so loszuschicken. Sollten eine Gewerkschaft gruenden und mal so richtig auf den Tisch klopfen!
Erschoepft kommen wir dann in Camp Nr.2, namens Gich, nach 9 Stunden Wanderung an und sind auch im somit hoechsten Camp, auf 3.600m.
Am dritten Tag geht es auf zu den beiden Gipfeln unsere Tour, wobei einer knapp unter, einer knapp ueber 4.000m liegt. Alle einfach ohne Kletterei zu erreichen, so dass wir lange und ausgiebig die Berglandschaft betrachten koennen. Tiefabfallende Steilhaenge, alleinstehende 100te Meter hohe Felsformationen, abgeflachte Hochterassen in der Ferne, vom Wasser der Regenzeit ausgefressende Taeler und ueber uns kreisende Adler und Erzraben (laut Magistra Judith Schmidt).
Ueberhaupt bekommen wir einiges der Hochland-Tierwelt zu bewundern. Neben den oben erwaehnten Gelada-Baboons kommen uns noch einige der dort nun geschuetzten Tierarten vor die Augen. So sahen wir zierliche Clipspringer, die die steilen Abhaenge grazil hinuntersprangen; den Buschbock, den der Leopard an einem uns gegenueberliegenden Hang jagen wollte (der Leopard ist noch nicht wirklich identifiziert, vielleicht wars nur eine Hyaene?); riesiger Laemmergeier, die nach Aas ausschauhielten und natuerlich der Abessinische Steinbock, hier als Ibex bekannt.
Diesen Ibex sahen wir nahe des Chennek-Camps in einem von Flechten behangenen, fast verwunschen aussehenden, Nadelwald. Mitten in einer Herde von Geladas marschierte der stolze Ibex mit nach hinten gewschwungenen Hoernern durch den Wald. Hintendrein einen ganze Schar von weiblichen Ibex und noch ein paar jugendliche Steinboecke. Auch ueberhaupt nicht scheu, konnten wir uns ihnen auf bis zu 5 Meter naehern und sie fast am Bart zupfen. Bis sie dann bei untergehender Sonne weiter bergauf zogen und unseren Blicken entschwanden.
Die letzten beiden Tage waren den Rueckweg gewidmet und fuehrten uns wieder ueber das Lager Sankabar, wo wir die vierte Nacht verbrachten, nach Debark unseren Ausgangspunkt. Wieder ueber teilweise sehr staubige Trampelpfade, so dass unsere Beine nach der 5taegigen Wanderung wie verkohlte Baumstuempfe aussahen.
Es war ein teilweise anstrengender, aber sehr lohnender Ausflug ins Hochland, der uns endlich weg aus den Staedten brachte und uns eine andere Seite Aethiopiens zeigte, die auch sehr liebenswert ist.
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bei diesen schilderungen kann unsereins ganz schon vom neid zerfressen werden…
(und -ähm- danke für den titel)
Hallo Nane. Die Geschichte von eurem Trekking in die äthiopischen Bergen ist wunderschön. Es ist spannend, eure Geschichten zu lesen und zu sehen, wie ihr eure Reise abwechslungsreich und interessant gestaltet. Und der österreichische Wanderbock hat hoffentlich vor Blasen an den Füßen geschützt. Alles Gute und Liebe, Roland