Die versetzten Tempel des Lake Nasser

Die Insel Philae mit der Tempelanlage

Der wohl groesste kuenstliche See der Welt mit einer Laenge von 500 km liegt suedlich von Assuan, unser derzeitiger Wohnsitz, und hoert im Deutschen auf den Namen Nassersee. Benannt nach Oberst und Staatspraesident Gamal Abdel Nasser, der den Assuan-Staudamm mit Hilfe der damaligen UdSSR errichten liess. Dieser konnte nicht nur die Nilfluten auffangen, die Strompruduktion nahzu verdoppeln und das segensreiche Nass zur Bewaesserung der Trockengebiete bereitstellen, sondern hat tausenden von Menschen ihre Heime verlassen lassen sowie haette dieser auch fast einige der sehenswertesten Tempel Nubiens fuer immer versinken lassen.

Der Tempel der Isis, der Tempel Pharao Ramses II. und der kleinere Tempel von dessen Gemahlin Nefertari konnten aber Dank der damals noch jungen UNESCO und einer Solidaritaetsaktion mehrerer Staaten den drohenden Nilfluten entrissen werden. Die Solidaritaetsaktion war natuerlich nicht ganz uneigennuetzlich, da sich einige der Staaten, als kleine Aufmerksamkeit, abgetragene Tempelanlagen in ihr Heimatland bringen liessen, um diese dort wieder in Museen aufzustellen. Aber Gott, voller Mitgefuehl, des immer Mitfuehlenden, sei dank, dass die in Aegypten verbleibenden Tempel feinsaeuberlich in handliche sieben bis 30 Tonnen Bloecke zerschnitten und ueber dem Wasserspiegel des Lake Nasser wiedererrichtet wurden. So fuhren wir also zeitig in der Frueh in einem Konvoi mit mehr als einen Dutzend Busse nach Abu Simbel und konnten diese wahrlich grossartigen Bauwerke von Menschenhand bewundern.

Unser erster Stopp war die Tempelanlage von Abu Simbel. Vom Ticketoffice kommend, sieht man zu Anfang nur eine steile Boeschung, die mit Schotter bedeckt ist. Dieser Hang ist die Rueckenansicht des aus Beton hergestellten kuenstlichen Huegels, in dem die abgetragenen Bloecke wieder nach urspruenglichem Plan und alter Ausrichtung eingefuegt wurden. Diesen Kunstberg umgehend, eroeffnet sich der Eingang zum Tempel, links und rechts flankiert von den 22 Meter hohen Kolossalstatuen Ramses II. Die Haende auf den abgewinkelten Beinen ruhend, schauen diese in steingehauenen Riesen in Richtung Nassersee und ihre Blicke scheinen den aufgestauten Wasserstand zu kontrollieren. Ein majestetischer Anblick, der beim Betreten des Inneren noch gesteigert werden kann. Vom gleissenden Tageslicht kommt man in das Halbdunkel der grossen Halle, deren Decke durch acht Statuenpfeiler des Pharaos Ramses, des Geliebten Amuns, Sonne der Herrscher gestuetzt wird. An den Waenden habe ich die bisher schoensten in den Sandstein geritzten Szenen gesehen das Fotografieren ist allerdings strengstens verboten, ansonsten wird man vom Torwaechter mit einem goldenen Ankh-Zeichen erschlagen). Meist sind diese sehr kriegerisch, mit niedergetrampelten Libyern, Feinden, denen der Kopf vom restlichen Koerper getrennt wird und mit Szenen der „heroischen“ Schlacht von Kadesch (ging eigentlich Unentschieden aus, die Propaganda Ramses war aber phenomenal). Trotz der eigentlichen Eindimensionalitaet der Kunstwerke erscheien diese aeusserst plastisch und anschaulich. Diesen inneren Kern des Gebaeudes erkundend, fiel das, einen vergoettlichen Herrscher, unwuerdige versetzen seines Tempels, nicht mehr auf und er wird sich wohl fein einmumifiziert in senem Sarkophag nicht umdrehen.

Interessant waren auch die Einritzungen der Namen frueherer Reisender in den Sandstein der Statuen und Hieroglyphenplatten. Die meisten stammten aus der zweiten Haelfte des 19. Jahrhunderts und waren ueberwiegend von Menschen aus Europa hergestellt worden, meist aus England, Italien und auch aus Deutschland. Oesterreichisches wurde keines gesichtet, wir waren wohl die ersten aus dem Land der Mozartkugeln und Lippizaneraepfel. Es zeigt aber auf jeden Fall, dass Aegypten eine zumindest 150 jaehrige Geschichte des Tourismus aufweist und manchmal, wenn man durch die uebervollen Basare schlendert, kommt es einem vor, als ob sie schon ein wenig des Tourismuses ueberdruessig waeren. Einen richtigen Kontakt zu den Einwohnern konnten wir bisher nicht herstellen und die Verkaufssprueche sowie ihre unwirsche Art beim Gespraech mit den Touris sind schon von einer Art, dass die Wiener Kaffeehauskellner dagegen die freundlichsten Menschen auf Erden sind.

Der zweite Tempel, etwas kleiner und seiner geliebten Gattin Nefertari und der Goettin Hathor geweiht, liegt unweit des groesseren Komplexes. Nefertari ist hier, wie sonst nicht ueblich, gleich gross wie Pharao Ramses II. dargestellt. Eine der ersten Frauen seit Einfuehrung des Patriarcharts, die den Maennern in der kuenstlerischen Darstellung in die Augen schauen durfte.

Weiter im Minibus, der zur Haelfte mit ChinesInnen besetzt war, fuhren wir zum Grossen Damm. Zahlten 20 Epound Eintritt (ca 3 Euro) und sahen befestigte Boeschungen links und rechts und ein paar Hochspannungsleitungen, die das einzig Spannende hier waren.

Den Weg ueber den ersten, aelteren und kleineren Damm nehmend, ging es weiter zur Anlegestelle mit den Booten, die uns zur Insel Philae bringen sollten. Der Faehrmann war natuerlich in seinen Preisforderungen zu Anfang wieder einmal unverschaemt und spielte den Beleidigten, dass wir ihm weniger bezahlen wollten. Mit einem -My friends- ausrufend, brachte er uns dann doch auf sein Boot und steuerte in seinem dreckig-schwarzen, einem Nachthemd gleichenden Kleidungsstueck mit seinen fladenbrotgrossen Haenden sicher zum Tempel der Isis. Der Tempel stand ebenso vorher an einer anderen Stelle und war zu Beginn des Reisebooms nach Aegypten der place-to-be. Durch den Rueckstau des Nils durch den aelteren Damm ragten 1/3 des Tempels noch aus dem Wasser und die Reisenden machten sich eine Gaude daraus, diese mit Ruderbooten zu umfahren. Sicher ein interessanter Anblick, der heutzutage nicht mehr moeglich ist. Sauber geputzt und gelblich-weiss in der Sonne glaenzend steht er heute vor uns. Mit seiner imposanten Saeulenhalle und seinen Wandreliefs eine Bootsfahrt zum doppelten Preis auf jeden Fall wert.

Aufgefallen sind uns viele in den weichen Sandstein gemeiselte griechische Kreuze, die sich neben den Goetter- und Pharaonendarstellungen eher seltsam ausnahmen. Dies, da dieser Tempel eine Weile auch als christliche Kirche genutzt wurde und die Goettin Isis, vor allem wenn sie mit einem Gottkind auf dem Schosse dargestellt wurde, sehr an Maria mit dem Kinde erinnerte, sagt man, denkt man, weiss man nicht.

Auf der Fahrt zu den versetzten Tempeln lernten wir auch Gerhard, einen Mitfuenfziger und Reiseberichtemacher fuer den Bayerischen Rundfunk, kennen. Mit ihm werden wir die naechsten Tage auf einer Felucca verbringen und uns von der Windgoettin Richtung Luxor treiben lassen, inschallah.

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Der fehlende Kopf des Kolosses
Der fehlende Kopf des Kolosses
Pharao Ramses II. in Gross
Pharao Ramses II. in Gross
Relief beim Engang zum Tempel des Pharaos Ramses II.
Relief beim Engang zum Tempel des Pharaos Ramses II.
Joerg kann es nicht glauben
Joerg kann es nicht glauben
Namenseinritzungen bei einem Tempel auf der Insel Philae
Namenseinritzungen bei einem Tempel auf der Insel Philae
Tempel der vergoettlichten Nefertari
Tempel der vergoettlichten Nefertari
Der famose Tempel der Isis
Der famose Tempel der Isis
Die Insel Philae mit der Tempelanlage
Die Insel Philae mit der Tempelanlage
Die Saeulen im Inneren des Isis Tempels
Die Saeulen im Inneren des Isis Tempels
Relief im Isis Tempel
Relief im Isis Tempel
Seltsame Bekleidung
Seltsame Bekleidung
Die christliche Seite des Tempel der Isis
Die christliche Seite des Tempel der Isis
Frau im Park von Assuan
Frau im Park von Assuan
Die Kuppel in der Kathedrale des Erzengel Michaels
Die Kuppel in der Kathedrale des Erzengel Michaels
Veröffentlicht am
Kategorisiert in Aegypten

Ein Kommentar

  1. lieber nanito, lieber jörg,

    ich les immer wieder verzückt und beeindruckt eure reiseberichte und genieße es die wirklich tollen fotos anzuschauen… merci, das bereichert den alltag und erfreut das herz!! ich freu mich sehr, dass es euch gut geht und ihr eine gute zeit habt!
    viele schöne stunden und noch mehr beeindruckende erlebnisse und begegnungen wünsch ich euch für die zukunft! have a safe journey!
    alles liebe und einen festn drucka aus dem regnerischen wien 🙂

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